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rueckblick

immer wieder mal "verschwindet" ja die eine oder andere sache in einem haushalt.
einzelne socken (die ungleich häufiger wie andere sachen), brillen, schlüssel, ohrringe, cds,...

bis auf die socken kommt alles meistens wieder zum vorschein.

bis jetzt hab ich es noch nie geschafft ein dokument zu "verlegen".
eine premiere also.
seit gestern abend bin ich verzweifelt auf der suche nach dem taufschein des liebsten sohnes. seine mutter behauptet sie hätte die gesammelten dokumente seinem vater übergeben. der liebste vater behauptet dass er sich nicht mehr erinnern kann, ob der taufschein dabei war.

aber gut, ich hab die suche aufgegeben und besorge nun einen neuen. trotzdem ärgerts mich ... und ich such weiter! denn womöglich verschwindet der neue taufschein dann auch mal auf wundersame weise und dann haben wir wenigstens den alten!

der weg zu dir ist nicht lange. grad mal den ersten gang ganz bis zum ende, dann fünf stufen hinauf, sieben schritte vorwärts und noch fünfzehn schritte links. weit ist es nicht, auch nicht anstrengend, trotzdem manchmal die reinste qual.
überhaupt anfangs konnte ich mit diesem platz den sie für dich gefunden hatten nichts anfangen. für mich warst du überall nur nicht da, am friedhof.
inzwischen sind einige jahre vergangen. viel hat sich verändert.
in meinem herzen bist du immer noch. manchmal bist du mir so nahe dass ich das gefühl hab deine stimme zu hören. manchmal bist du einfach nur da. manchmal bist du mir so fern dass ich nach dir suche.
wenn ich dich suche, dann finde ich dich jetzt am friedhof. da, an diesem grab, das ich früher gemieden hab, finde ich dich, bin ich dir nahe und genieße deine nähe. ich bin lange bei dir, rede im geiste mit dir, lache im geiste mit dir.

heute genügt mir das aber nicht! ich vermisse dich! fast spür ich es köperlich. mein herz, mein bauch, mein kopf ...
ich weiß, du wolltest damals nicht gehen, ohne ein wort, ohne einen kuss und ohne eine umarmung.
du hast es aber trotzdem getan und ich kann dich deswegen grad überhaupt nicht leiden!

... des bereitschaftsdienstes am faschingswochenende

* 15 alkoholisierte narren begleitet (7 ins krankenhaus, 5 zu ihren eltern, 3 heim von wo aus sie wahrscheinlich nach einem kurzen schläfchen wieder ins wilde treiben gestartet sind)
* 2 gebrochene arme
* 4 gebrochene beine
* das eine oder andere gerissene bzw gezerrte band
* 3 verletzungen aus auseinandersetzungen zwischen den narren
* unzählige nervöse anrufe von eltern "verschollener" jugendlicher die das schlimmste vermuteten, die wir aber beruhigen konnten, zumindest soweit dass wir ihre vermutlich besoffenen sprösslinge nicht eingesammelt haben.
* ...

und es ist in wirklichkeit ja erst halbzeit, denn die "feiertage" dauern ja immerhin noch bis mittwoch abend an.

beinahe zwei jahre sind vergangen. kein tag vergeht, an dem ich nicht daran denke.

es war ein tag, wie jeder andere. er begann für mich mit dem letzten kaffee auf der station bevor ich mich nach dem nachtdienst auf den heimweg machen wollte. ich war gut drauf. die nacht war ruhig und ich hatte mit der stationsschwester die gelegenheit den sonnenaufgang auf dem krankenhausdach zu verfolgen. ein schöner start in den tag. in den ersten von drei freien tagen die wir gemeinsam haben sollten.
dann zuerst der stau. im radio hörte ich von einem unfall und davon, dass der rettungshubschrauber landen sollte. ein kurzer moment des überlegens - nein, ich wäre an der unfallstelle sicher keine hilfe, müde wie ich war. - trotzdem unruhe. die zeit verging nicht. ein blick zum himmel. - nein, der rettungshubschrauber kam auch noch nicht. dann stieg ich aus. eine zigarette angezündet, neben dem auto auf und abgewandert, gefröstelt. noch immer kein rettungshubschrauber in sicht. die unruhe wurde größer. obwohl ich das gar nicht bewusst wahrnahm, machte ich mich auf den weg richtung unfallstelle. der wagen, der dort in den baum gefahren war, sich beinahe um den stamm gewickelt hat, kam mir bekannt vor. auf einmal erkannte ich es. es war doch der traumfänger, der am rückspiegel hing, den ich damals auf dem markt in mexico city gekauft hatte. wie betäubt ging ich weiter, immer näher zu den sanitätern und dem notarzt. die feuerwehrmänner versuchten mich aufzuhalten. ich weiß heute nicht mehr, wie ich es schaffte zwischen ihnen durchzukommen, doch irgendwie schaffte ich es.
und dann stand ich vor dem regungslosen körper. keine verletzungen. ich kniete mich neben ihn, redete mit ihm, bat ihn die augen zu öffnen, aufzustehen und mit mir zu meinem auto zu gehen. doch das passierte natürlich nicht.
auf einmal war meine kollegin neben mir. sie redete auf mich ein, nahm mich bei den schultern und zog mich von ihm weg. ich ließ es geschehen, ging gemeinsam mit ihr zum rettungsauto. dort erklärte sie mir, dass es keine rettung mehr gab. ich hörte gar nicht richtig zu. was sollte das? keine rettung? da war doch nicht einmal ein kratzer, kein blauer fleck, keine wunde, nichts! ständig warf ich einen blick auf ihn, erwartete, dass er sich aufrappelt, zu uns herüberkommt, sein strahlendstes lächeln auf den lippen. natürlich passierte nichts dergleichen.
wie ich dann nach hause kam, weiß ich nicht mehr. begriffen hatte ich da noch immer nichts. es roch nach frischem kaffee, aufgebackenes gebäck lag auf dem tisch und die aufgefaltete tageszeitung. ich setzte mich an meinen platz, wartete darauf dass er die haustüre aufsperrt, hereinkommt und mir erklärt dass das alles nur ein böser traum war.

seit diesem tag hat sich mein leben verändert. das haus, unser haus ist verkauft. die erinnerungen sind in kisten verstaut und wenn ich sie sehe wundere ich mich dass ein ganzes menschenleben in drei metallkisten platz findet. oft war ich am ende und genauso oft hab ich wieder beschlossen weiterzumachen. ich hab gekämpft. ich hab mich treiben lassen. ich war orientierungslos und hab dann doch wieder ein ziel gefunden.
manchmal hab ich angst ihn zu vergessen, weil die erinnerungen immer mehr verblassen. wie hörte sich sein lachen an? sein herrlicher akzent, wie ging der genau? wie roch er denn? verzweifelt versuche ich mir jedes detail in erinnerung zu rufen. das gelingt nicht und schon gar nicht, wenn man sich dazu zwingen will.
manchmal aber kommen die erinnerungen ganz von alleine wieder. und dann ist sie wieder ganz nah, seine stimme, sein lachen, sein akzent, seine augen, sein geruch. das sind gleichzeitig die schönsten und schmerzlichsten momente seit dem er nicht mehr da ist.

als kinder haben meine schwester und ich uns oft ins gras gelegt, zum himmel hochgesehen und die wolken beobachtet, wie sie sich verformten, immer wieder eine andere gestalt annahmen und schließlich aus unserem blickfeld verschwanden. manchmal entdeckten wir elefanten, hasen, vögel, drachen und giraffen.

als ich heute auf der terasse bei meiner freundin saß, die beiden kinder sich langweilten und mir dann dieses "spiel" einfiel, ich mich mit den beiden in die wiese legte, den duft vom frisch gemähten gras in der nase hatte, fühlte ich mich wieder zurückversetzt in die kindheit. und für einen moment hätte ich schwören können, dass da das grinsende gesicht meiner schwester hinter der wolke hervorgeblickt hat, hinter der wolke, die aussah wie ein pferd. ganz sicher!

auf einmal vermisse ich meine schwester sehr. es fällt mir eine textzeile von jimi hendrix's "little wing" ein ... now she's walking trough the clouds.. vielleicht stimmt das ja wirklich. vielleicht ist sie wirklich dort oben.

meine schwester und ich hatten eine sehr enge beziehung, immer einen dicken draht zueinander, selbst wenn wir gerade sehr weit voneinander entfernt waren. seit ihrem tod ist viel passiert.
ich war eine zeit lang sehr traurig, dann sehr wütend und dann wollte ich sie am liebsten vergessen, die erinnerung streichen. doch im nachhinein ist alles nicht mehr so wichtig, nicht mehr so schlimm.

jetzt gerade in diesem moment fehlt mir ihre nähe. sie wäre jetzt bei mir. und das hätte sicher geholfen. es wäre gut gewesen.
alleine der gedanke daran tut gut und ich spüre sie wieder mehr, intensiver, näher.
sie ist wieder da und lässt mich nicht mehr alleine! nie mehr wieder!

"Well she’s walking through the clouds
With a circus mind that’s running round
Butterflies and zebras
And moonbeams and fairy tales
That’s all she ever thinks about
Riding with the wind.

When I’m sad, she comes to me
With a thousand smiles, she gives to me free
It’s alright she says it’s alright
Take anything you want from me, anything
Anything.

Fly on little wing,
Yeah yeah, yeah, little wing"

jimy hendrix

 

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