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beinahe zwei jahre sind vergangen. kein tag vergeht, an dem ich nicht daran denke.

es war ein tag, wie jeder andere. er begann für mich mit dem letzten kaffee auf der station bevor ich mich nach dem nachtdienst auf den heimweg machen wollte. ich war gut drauf. die nacht war ruhig und ich hatte mit der stationsschwester die gelegenheit den sonnenaufgang auf dem krankenhausdach zu verfolgen. ein schöner start in den tag. in den ersten von drei freien tagen die wir gemeinsam haben sollten.
dann zuerst der stau. im radio hörte ich von einem unfall und davon, dass der rettungshubschrauber landen sollte. ein kurzer moment des überlegens - nein, ich wäre an der unfallstelle sicher keine hilfe, müde wie ich war. - trotzdem unruhe. die zeit verging nicht. ein blick zum himmel. - nein, der rettungshubschrauber kam auch noch nicht. dann stieg ich aus. eine zigarette angezündet, neben dem auto auf und abgewandert, gefröstelt. noch immer kein rettungshubschrauber in sicht. die unruhe wurde größer. obwohl ich das gar nicht bewusst wahrnahm, machte ich mich auf den weg richtung unfallstelle. der wagen, der dort in den baum gefahren war, sich beinahe um den stamm gewickelt hat, kam mir bekannt vor. auf einmal erkannte ich es. es war doch der traumfänger, der am rückspiegel hing, den ich damals auf dem markt in mexico city gekauft hatte. wie betäubt ging ich weiter, immer näher zu den sanitätern und dem notarzt. die feuerwehrmänner versuchten mich aufzuhalten. ich weiß heute nicht mehr, wie ich es schaffte zwischen ihnen durchzukommen, doch irgendwie schaffte ich es.
und dann stand ich vor dem regungslosen körper. keine verletzungen. ich kniete mich neben ihn, redete mit ihm, bat ihn die augen zu öffnen, aufzustehen und mit mir zu meinem auto zu gehen. doch das passierte natürlich nicht.
auf einmal war meine kollegin neben mir. sie redete auf mich ein, nahm mich bei den schultern und zog mich von ihm weg. ich ließ es geschehen, ging gemeinsam mit ihr zum rettungsauto. dort erklärte sie mir, dass es keine rettung mehr gab. ich hörte gar nicht richtig zu. was sollte das? keine rettung? da war doch nicht einmal ein kratzer, kein blauer fleck, keine wunde, nichts! ständig warf ich einen blick auf ihn, erwartete, dass er sich aufrappelt, zu uns herüberkommt, sein strahlendstes lächeln auf den lippen. natürlich passierte nichts dergleichen.
wie ich dann nach hause kam, weiß ich nicht mehr. begriffen hatte ich da noch immer nichts. es roch nach frischem kaffee, aufgebackenes gebäck lag auf dem tisch und die aufgefaltete tageszeitung. ich setzte mich an meinen platz, wartete darauf dass er die haustüre aufsperrt, hereinkommt und mir erklärt dass das alles nur ein böser traum war.

seit diesem tag hat sich mein leben verändert. das haus, unser haus ist verkauft. die erinnerungen sind in kisten verstaut und wenn ich sie sehe wundere ich mich dass ein ganzes menschenleben in drei metallkisten platz findet. oft war ich am ende und genauso oft hab ich wieder beschlossen weiterzumachen. ich hab gekämpft. ich hab mich treiben lassen. ich war orientierungslos und hab dann doch wieder ein ziel gefunden.
manchmal hab ich angst ihn zu vergessen, weil die erinnerungen immer mehr verblassen. wie hörte sich sein lachen an? sein herrlicher akzent, wie ging der genau? wie roch er denn? verzweifelt versuche ich mir jedes detail in erinnerung zu rufen. das gelingt nicht und schon gar nicht, wenn man sich dazu zwingen will.
manchmal aber kommen die erinnerungen ganz von alleine wieder. und dann ist sie wieder ganz nah, seine stimme, sein lachen, sein akzent, seine augen, sein geruch. das sind gleichzeitig die schönsten und schmerzlichsten momente seit dem er nicht mehr da ist.
scheues Reh meinte am Sa, 14. Aug, 22:37:
machmal ist das Leben hart ungerecht und grausam und dennoch denke ich muß es einen Sinn geben. Vielleicht ist der Sinn die Erinnerung an das gemeinsam er/gelebte? 
Philosophin77 meinte am Sa, 14. Aug, 22:38:
verständnis
hey du!
ich kann das sehr gut nachvollziehen, ich habe einen geliebten menschen in meinem leben auch viel zu früh verloren, es ist nur schon länger her und ich war jung und er starb durch den suizid...
es klingt zwar phrasenmässig, aber irgendwann wird sich dein leben wieder normalisieren, irgendwann wirst du wieder leben können ohne ständig daran zu denken, irgendwann wirst du einen teil vergessen haben und einen teil bei dir behalten! winzige details sind irgendwann nicht mehr so wichtig, ich weiss auch nicht mehr wonach ER roch und viele andere Dinge in diese Richtung, aber ich kann mich immer noch daran erinnern was er mir geben konnte, wie er war, was ihn bezauberte! Behalte ihn immer in Deinem Herzen, vergiss ihn nicht, aber gib Dir und Deinem Leben und vielleicht irgendwann auch einmal einem Nachvorger eine Chance indem Du ihn gehen lässt!
Ich kenne Dich zwar nicht, aber ich bin in Gedanken bei Dir und hoffe dass alles gut wird für Dich und Du Dich nicht zu sehr von Deinen Gedanken beherrschen und runterreissen lässt!
Eine liebe Umarmung für Dich! 
 

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